Lieber Aless,
typisch Zwang, erst bringt er dich dazu, dass du Angst hast verrückt zu werden und nachdem er damit wenig Erfolg hat redet er dir ein, Besessen zu werden. Bei dem Gedanken kann man schließlich weniger mit Logik und Beweisen dagegenhalten. Aber, das Prinzip ist das gleiche!
Aber noch einmal zur Erinnerung: "Aggressive, religiöse oder sexuelle ZG zu haben, bedeutet nicht, dass man damit einverstanden ist oder sie gut findet. Im Gegenteil, man findet sie schlimm und abscheulich, weil sie im Gegensatz stehen zu dem, was man normalerweise denkt. Bitte merk dir das besonders gut: Zwangsgedanken bedeuten nur, dass man eine Zwangserkrankung hat, nicht dass man diese Gedanken richtig findet oder machen will, was die Gedanken sagen. Man findet diese Gedanken (Bilder, Impulse) falsch und hat sie trotzdem, das liegt aber an der Zwangserkrankung." (aus dem Zwang die rote Karte zeigen, S 20)
Überprüfe selber, willst du freiwillig den Teufel anbeten? Gibt dir das ein gutes Gefühl? Hattest du unter normalen Umständen auch schon ernsthaft den Wunsch oder den Plan den Teufel anzubeten? - Du hast diese Fragen schon in deinen Posts beantwortet, sie lautet NEIN und das gibt dir die Bestätigung, dass es nur ein ZG ist!
Das Gute ist, du hast bereits eine gute Strategie entwickelt, um mit den aggressiven ZG umzugehen. Wenn dir klar wird, dass die Angst vor der Besessenheit und der Gedanke, dass man besessen werden kann, falls man den Teufel anbetet auch nur so ein ZG ist, kannst du deine Strategie wieder einsetzen.
Meiner Tochter hat es auch geholfen, mit dem Zwang einen Dialog zu führen (nicht gleich anfangs, aber nach ein paar Therapiestunden): Sowas wie, "wow, du bist ganz schön einfallsreich, aber ich habe dich trotzdem durchschaut!"
Das klingt jetzt so leicht, ich bin mir aber bewusst, dass es schwer ist aus der Angst heraus zu kommen. Deshalb ist es so wichtig, dass du unterstützt wirst! Du hast aber schon eine super Ausgangsposition: du weißt, was das Problem ist; du bist schlau; du steckst den Kopf nicht in den Sand und du kannst Unterstützung annehmen!
Nun zu der Frage mit dem Kobold im Kopf: ja, so kann man sich das vorstellen. Meiner Tochter wurde das in der Verhaltenstherapie so erklärt:
Jeder Mensch hat in seinem Kopf einen "Polizisten". Der sagt Stopp, falls so ein Zwang (Kobold) mit einem Gedanken oder einer Forderung kommt. Aber manchmal kommt es vor, dass der Polizist gerade schwach ist und der Kobold dadurch ein leichteres Spiel hat. Je mehr Erfolg der Kobold hat, desto schwächer wird der Polizist. Ziel in der Therapie ist es also wieder den Polizisten zu stärken.
Was bedeutet das jetzt? Warum ist ein Polizist schwach? Das ist im Wesentlichen die Frage, warum entstehen Zwangsstörungen. Du hast sicher schon darüber gelesen. Damit ein Zwang entsteht sind viele Bausteine notwendig. Risikobausteine können sein: Vererbung, Erziehung, belastende/prägende Lebensereignisse, Persönlichkeit, ungünstige Lebensumstände vor Beginn der Erkrankung, biologische Faktoren.
(Zu den biologischen Faktoren möchte ich noch etwas sagen - dabei geht es darum, dass man festgestellt hat, dass bei ZE bestimmte Regionen im Gehirn besser durchblutet sind als bei Nichterkrankten. Das ist jetzt aber keine Krankheit, sondern nach neuesten Forschungen eher die Auswirkung der ZE, man hat nämlich auch festgestellt, dass nach erfolgreicher Therapie die Durchblutung wieder der, der Nichterkrankten entspricht.)
Wenn man also aufgrund dieser Bausteine psychisch etwas schlechter drauf ist, kann man nicht mehr so gut "Stopp" sagen. Das Stopp entspricht der Bewertung bzw. der Einschätzung der Situation. Bei einer geschwächten Einschätzung entstehen also Zweifel und man wird ängstlicher und angreifbarer. Dadurch hat der Zwang (Kobold) ein leichteres Spiel.
Warum bleibt man dann im Zwang hängen? ZG oder Zwangshandlungen verursachen heftige Angst, starke Unsicherheit und Schuldgefühle. Das macht den Polizisten nicht gerade stärker. Außerdem beginnt ein Lernprozess - je öfter man dem Zwang glaubt, desto mehr ist man in der Schleife (Impuls, Überbewertung, Angst und ungutes Gefühl und ev. Zwangshandlung) gefangen und dieser Kreislauf verfestigt sich.
Die Konfrontationstherapie hat den Sinn, dies Schleife zu unterbrechen und das eingelernte Verhalten wieder in den Normalmodus zu bringen. Dadurch wird auch der Polizist wieder stärker und man gewinnt seine Freiheit zurück.
In der Therapie sollte aber auch auf die Risikobausteine eingegangen werden. Was war der Auslösungsmix? Also zusätzlich sollte an den Wurzeln gearbeitet werden.
Ich finde es recht hilfreich, den Zwang als Kobold oder als Zwangsmonster zu sehen. Es gibt ja dich als Person und den Zwang. Der Zwang ist wie eine Decke, der sich um dich hüllt und dich ganz gut einwickeln will, so dass man dich kaum mehr sieht. Er will bestimmen und Chef sein. Als Mutter sah ich anfangs in meinem Kind immer nur die Zwangskrankheit und auch sie selbst nahm sich hauptsächlich als Zwangserkrankte wahr. Als ich und auch meine Tochter aber verstanden hatten, dass sie nur unter dieser Zwangsdecke versteckt war, konnten wir gezielt gegen den Zwang arbeiten. Es kämpft sich halt leichter gegen ein Zwangsmonster als gegen sich selbst!
Sei bitte nicht zu streng mit dir mit dem Googlen. Google gehört zum Leben dazu. Aber geh (mit dir selbst) verantwortungsvoll um und schau gut auf dich. Trenne die Forderungen vom Zwang von deinen eigenen Wünschen. Du und der Kobold seid unterschiedliche "Dinge!"
Also bitte, entspannter Umgang - auch mit Google. Aber es ist vollkommen legitim, sich keine Horrorseiten oder Filme anzuschauen, wenn man weiß, dass man schlecht darauf reagiert. Ich halte das für verantwortungsvolles und erwachsenes Verhalten.
Wünsch dir einen schönen Sonntag.
liebe Grüße
Bee